Zukunfts-Konzept von Cognion und der „Wiener Zeitung“

Die „Wiener Zeitung“ verdient es nicht nur, als Tageszeitung und Institution des Qualitätsjournalismus fortgeführt zu werden. Das Unterfangen ist auch wirtschaftlich darstellbar. Das ist der Sukkus einer strategischen Partnerschaft, die zwischen der Redaktion der „Wiener Zeitung“ und dem Forschungsverbund Cognion ausgearbeitet wurde. Ein erstes Konzept wurde dem Bundeskanzleramt vorgelegt.

„Sollte die Republik Österreich eine strategische Partnerschaft in Betracht ziehen, haben wir die Absicht, ein Angebot vorzulegen. „

Christian Helmenstein, Geschäftsführer des Cognion Forschungsverbunds und Chefökonom der Industriellenvereinigung

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Politprominenz für den Erhalt der Wiener Zeitung

Es ist eine lange, beeindruckende und vor allem parteiübergreifende Liste von ehemaligen Bundeskanzlern, Ministern, Landeshauptleuten und Spitzenpolitikern, die allesamt ihre Unterschrift unter eine Deklaration zur Erhaltung der Wiener Zeitung setzten. Darin fordern sie von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler den Fortbestand der „Wiener Zeitung“, die sie als „Gegenkraft zu den hyperschnellen, emotionsgetriebenen Schlagzeilen“ sehen, „die unentwegt auf die Menschen einprasseln und mehr verwirren und verwischen als aufklären und informieren“.

Presseclub Concordia schlägt Treuhand-Lösung vor

Die Zukunft der ältesten noch bestehenden Tageszeitung der Welt insgesamt bzw. in Printform steht nach Willen von Teilen der Regierung auf der Kippe. Das Ende dieser „Stimme der Vernunft und der Anständigkeit“, wie Concordia-Präsident Andreas Koller in einer Online-Pressekonferenz formulierte, soll verhindert werden: Eine Treuhand-Konstruktion könnte als Übergangslösung fungieren. 

Der Vorschlag des Pressclubs Concordia im Wortlaut:

Redaktionsbeirat an Bundeskanzler

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

mit Befremden hat der Redaktionsbeirat der „Wiener Zeitung“ Ihre Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zur Kenntnis genommen, wonach „der Betrieb und die Finanzierung einer Tageszeitung nicht Aufgabe der Republik“ seien.

Wir sind der Meinung, dass die „Wiener Zeitung“ einen wertvollen Beitrag im öffentlichen Diskurs und für die Meinungsvielfalt und -freiheit leistet. Mit dem Erhalt der „Wiener Zeitung“ kommt die Republik Österreich auch einer Empfehlung des Europarates von 2018 nach, diese Eckpfeiler zu fördern.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sehen anderes als suggeriert vor. Im Staatsdruckereigesetz heißt es: „Unternehmensgegenstand der Wiener Zeitung GmbH ist die Herstellung und der Verlag der Wiener Zeitung“ (§2). „Herausgeber der Wiener Zeitung ist der Bund. Eigentümer und Verleger ist die Gesellschaft.“ (§5).

Außerdem ist die „Wiener Zeitung“ laut Redaktionsstatut eine „gedruckt und multimedial erscheinende, überparteiliche Qualitätstageszeitung im Eigentum der Wiener Zeitung GmbH, die im Eigentum des Bundes steht“. Der Bund bekennt sich als Herausgeber der „Wiener Zeitung“ zu diesem Redaktionsstatut.

Sie haben sich in der Vergangenheit für den „Erhalt einer unabhängigen, pluralistischen und vielfältigen Medienlandschaft“ ausgesprochen. Sie sagten auch, „Pressefreiheit und ein starker sowie unabhängiger Medienstandort sind wesentliche Eckpfeiler unserer Demokratie“.

Da die heimische Medienlandschaft ohnehin sehr konzentriert ist und der Markt an Tageszeitungen nur noch 14 Titel umfasst, würde der Wegfall der „Wiener Zeitung“ den Pluralismus und in weiterer Folge den demokratischen Auftrag der Tageszeitungen in Österreich weiter schwächen.

Wir hoffen, dass Sie sich auch in Zukunft zum Erhalt einer vielfältigen Medienlandschaft bekennen und damit auch den Fortbestand der „Wiener Zeitung“ als gedruckte Tageszeitung unterstützen. Der Ordnung halber weisen wir darauf hin, dass dieses Schreiben auch an Medien ergeht.

Mit freundlichen Grüßen,

Der Redaktionsbeirat der „Wiener Zeitung“

Tamara Arthofer
Martina Madner
Michael Ortner

„Die Stimmung ist kreativ“ – die WZ im WDR-Radio

Bild von THAM YUAN YUAN auf Pixabay

Auch das Schweizer Radio SRF und der WDR brachten Beiträge über die „Wiener Zeitung“. Im folgenden ein Transkript der fünfminütigen Sendung des WDR.

ANMODERATION:

Die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt, die „Wiener Zeitung“, steht vor der Einstellung. 1703 gegründet und seit 1857 im Besitz des österreichischen Staates stehend, hat die „Wiener Zeitung“ in den 318 Jahren ihres Bestehens von allen großen Ereignissen des Weltgeschehens berichtet: von den Kriegserfolgen des Prinzen Eugen gegen die  Türken bis zur Hinrichtung Marie-Anoinettes, von der Wiener Revolution 1848 bis zum Wahlsieg Joe Bidens vor einigen Monaten in den USA. Jetzt möchte die Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz in Wien der traditionsreichen Tageszeitung den Todesstoß versetzen – doch in Österreich, nicht zuletzt in der Kulturszene, regt sich heftiger Widerstand. Aus Wien berichtet Günter Kaindlstorfer.

BEITRAG:

Gerald Schmickl, Blattmacher und leitender Redakteur der angesehenen Wochenendbeilage „Extra“, sitzt im Homeoffice und feilt an einem Text über den Philosophen Ludwig Wittgenstein. Schmickl ist so etwas wie ein Urgestein der „Wiener Zeitung“. Seit den 70er-Jahren schreibt er für das Blatt.

OT Gerald Schmickl:

„Die Stimmung in der Redaktion ist zur Zeit geteilt. Einerseits ist man natürlich gedämpft. Wenn eine Einstellung droht, ist das natürlich. Auf der anderen ist die Stimmung sehr, sehr kämpferisch, sehr kreativ.“

Das Feuilleton war in den letzten eineinhalb, zwei Jahrhunderten stets das große Aushängeschild der „Wiener Zeitung“, die mit einer Verkaufsauflage von etwa 18.000 Stück alles andere als ein Massenblatt ist. Das Prestige des Kulturteils hängt auch mit den prominenten Mitarbeitern zusammen, die für die „Wiener Zeitung“ tätig waren und sind: August Kotzebue, Friedrich Hebbel und Ernst Krenek gehörten ebenso dazu wie die Schriftstellerin Marlen Haushofer und die bekannten Wiener Philosophen Isolde Charim und Konrad Paul Liessmann. Da nimmt es nicht wunder, dass es vor allem renommierte Kulturschaffende sind, die gegen die drohende Einstellung der weltältesten Tageszeitung Sturm laufen. In einem prominent besetzten Personen-Komitee rufen unter anderem Elfriede Jelinek, Franz Welser-Möst, Josef Hader und der Schriftsteller Michael Köhlmeier zur Rettung des Blattes auf:

OT Gerald Schmickl:

„Mit so einer großen Solidarität hätten wir nicht gerechnet. Es ist ein unglaublich breites Spektrum – von Kulturschaffenden bis hin zum Kardinal und zum Staatsoperndirektor. Also, das ist wirklich eine breite Zustimmung.“

Auch die Wiener Kommunikationswissenschaftlerin Petra Herczeg hat den Rettungsaufruf für das traditionsreiche Tagesblatt unterschrieben:

OT Petra Herczeg:

„Es ist natürlich ein einfaches Argument, zu sagen, es fehle an Geld. An Geld fehlt es immer. Die Frage ist, ob wir uns Journalismus – und damit auch die ,Wiener Zeitung‘ – in Zukunft leisten wollen….“

… und wie Qualitätsjournalismus in Zukunft finanziert werden kann. Die „Wiener Zeitung“, im Eigentum der Republik Österreich stehend, hat den größten Teil ihrer Einnahmen in den letzten Jahrzehnten vor allem durch Pflichtinserate lukriert, zu deren Schaltung Österreichs Unternehmen von Gesetzes wegen gezwungen sind. Bekannt gemacht werden da etwa Einladungen zu Hauptversammlungen oder die Jahresabschlüsse börsennotierter Unternehmen. Und diese Pflichtinserate sollen, wenn es nach der türkis-grünen Koalition am Wiener Ballhausplatz geht, demnächst wegfallen. Damit löst der wirtschaftsnahe Bundeskanzler Kurz ein Versprechen gegenüber der österreichischen Unternehmerschaft ein, damit bricht aber auch das Finanzmodell der „Wiener Zeitung“ in sich zusammen. Dass sich das Blatt auf dem heißumkämpften, vom Boulevard dominierten österreichischen Zeitungsmarkt behaupten könnte, glaubt zwischen Bregenz und Wien eigentlich niemand. Der Feuilletonist Gerald Schmickl will die Hoffnung allerdings nicht aufgeben:

OT Gerald Schmickl:

„Es wird im Moment an verschiedensten Konzepten gearbeitet. Es soll keine Tabus geben, verschiedene Modelle anzudenken – von öffentlicher Finanzierung im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Zeitung bis hin zu Genossenschafsmodellen oder Stiftungslösungen. Also, man kann sich da verschiedenste Modelle vorstellen. Man wird sehen, ob da was rauskommt.“

Gut möglich, dass das Schicksal der „Wiener Zeitung“ ein Omen ist für das, was demnächst auch auf andere europäische Tageszeitungen zukommen könnte. Das Geschäftsmodell Tageszeitung jedenfalls ist allenthalben in Bedrängnis. Man müsse, meint die Medienwissenschaftlerin Petra Herczeg, allmählich über öffentliche Finanzierungsmodelle für Qualitätszeitungen nachzudenken beginnen:

OT Petra Herczeg:

„Ich würde schon von einer demokratischen Medienpolitik sprechen, auch auf europäischer Ebene. Dass man sich überlegt: Wie kann Journalismus gefördert werden? Eigentlich geht es ja darum: dass Journalismus gefördert wird. Ich finde, es muss mehr in den gesellschaftlichen Diskurs eindringen, dass es ohne Journalismus nicht geht. Ohne Journalismus gibt es keine funktionierende Demokratie.“


Das sehen auch die Redakteurinnen und Redakteure der „Wiener Zeitung“ so. Von den Solidaritätsbekundungen, die zur Zeit über sie hereinbrechen – so wohltuend diese auch sein mögen – kann sich die kampfbereite Truppe allerdings nichts kaufen. Von irgendwoher müssen in Zukunft zehn bis fünfzehn Millionen Euro jährlich kommen. Ob da ein Plädoyer Abhilfe zu schaffen vermag, mit dem zwei prominente Wiener Journalisten vor kurzem an die Öffentlichkeit gegangen sind? Sie wollen die „Wiener Zeitung“ zum „Weltkulturerbe“ ernennen.